Der Norden von oben – Eine Woche mit der Piper P28A-Archer II – 181

Autor: Roland Liebl, Waghäusel

 

           

Aufbruch am Montagmorgen, meinem 55. Geburtstag, bei schönem sonnigen, blauem Himmel und sommerlichen Temperaturen – das Gepäck vorab schon losgeschickt, im Rucksack nur eine kleine Zwischenmahlzeit, es kann losgehen. Allerdings zuerst nicht mit dem Flieger, sondern mit dem PKW zum Ausgangspunkt, dem Flughafen in Speyer. Für diese Tour soll es östlich an Frankfurt vorbei über Kassel und Porta Westfalica Richtung Hamburg direkt nach St. Michaelisdonn gehen. Der idyllische Flugplatz liegt leicht erhöht am Rande der Marsch in unmittelbarer Nähe des Nord-Ostsee-Kanals und der Elbmündung bei Brunsbüttel mit einem herrlichen Rundblick und noch schöneren Sonnenuntergängen. Ich bin jetzt das vierte Mal auf dieser Tour und jeden Abend wird es spannend: Was macht die Sonne heute? Wie verabschiedet sie den Tag?

(Bild 1: Sonnenuntergang Michaelisdonn)

Zurück zum ersten Tag der Reise: Gleich nach der Landung kommt man ins Gespräch mit dem Gastwirt Laszlo Pilt, der Pächter der Fliegerklause, Susanne und Walter Geisler, den Betreibern des Campingplatzes Hohenkamp, Uwe Speck, dem Flugleiter des Verkehrslandeplatzes bei St. Michelisdonn und den Gästen auf der Sonnenterrasse. Man ist nicht das erste Mal hier. Man kennt sich. Herzliche Umarmungen und freundliche Worte sind der Beginn eines langen Nachmittags, der nahtlos in den Abendplausch mündet. Das Tagwerk ist vollbracht, der erste Tag der Reise geschafft, nur noch den Koffer suchen, das Zimmer beziehen, und dann die herrliche Ruhe genießen. Wo kann man sonst noch so in aller Abgeschiedenheit ohne lange Wege im Gespräch mit Freunden und Fremden, die ganz schnell zu Bekannten werden, abschalten? Als weltweit erfahrener Vielflieger merke ich gleich: Nirgends sonst, nur auf einem kleinen liebevoll gepflegten Flugplatz in herrlicher Nachbarschaft des Campingplatzes und der Fliegerklause, mehr oder weniger am Ende der Welt, zumindest solange man mit dem PKW fährt. Die Straße endet hier oben. Anders bei uns, wir sind mit dem viersitzigen Motorflugzeug Piper P 28 und dem Piloten Jürgen Schlindwein hier, dem Präsidenten der Motorfluggemeinschaft Speyer und der vereinsintern als Präsidentenmaschinen bezeichnete „Oscar Foxtrot“. Für Außenstehende, es ist so etwas wie das Nummernschild und steht für die letzten beiden Ziffern des Luftfahrzeugkennzeichens D-EZOF. Und Jürgen ist natürlich nicht Präsident, sondern der erste Vorsitzende des rührigen Vereins in Speyer. Und der kleine Flugplatz ist natürlich nicht das Ende der Welt, sondern für Flieger das Tor zur Welt.

     (Bild 2: Flugplatz, Bild 3: Fliegerklause, Bild 4: Campingplatz)

Ein gemütliches Abendessen, liebevoll von Laszlo zubereitet, schließt den ersten Reisetag. Der zweite Tag beginnt ernüchternd. Ich habe ganz vergessen, wir reisen mit dem Flieger. Und da geht Sicherheit vor. Eine verlässliche Vorplanung gibt es nicht. Der aktuelle Flugwetterbericht bestimmt hier bei dieser Reise jeden einzelnen Tag. Und der Tag beginnt deshalb immer langsam. Sehr langsam! Richtig gut zum Abschalten und Erholen, das merke ich gleich. Schnelles Internet gibt es hier oben (noch) nicht, insofern dauert selbst der Download der gewohnten Tageszeitung fast 15 Minuten. Daheim geht dies in zwei Sekunden, aber daheim ist es ja auch Alltag mit „… nur kurz die Welt retten … noch 148 Mails checken …“ und hier ist Urlaub. Das ist Entschleunigung pur. Gut so! Bei Regen in der Fliegerklause, bei Trockenheit und Sonne auf der Terrasse, direkt neben dem Flieger. Das Frühstück gibt es daher grundsätzlich erst um 09:00 Uhr. Und ganz wichtig: Alles, was man mag, auch schön brav aufessen, denn sonst gibt es am nächsten Tag weniger davon! Macht aber nichts: Wenn man einen Sonderwunsch hat: Laszlo kümmert sich darum. Liebevoll und herzlich!

(Bild 5: Essen in der Fliegerklause)

Von jetzt ab bestimmen Vorhersagen zu Wolkenuntergrenzen, Fernsicht, Regen und Wind die Reise. Ist das Wetter für den Rest des Tages im Westen gut, dann geht es auf eine der Inseln. Wenn nicht: Vielleicht gibt die Ostsee etwas her? Ansonsten bleiben noch die Küsten und wenn alle Stricke reißen, dann geht es mit dem Auto oder dem Zug weiter. Hier eine Liste der Ziele, die ich selbst bei meinen bisherigen vier Reisen dieser Art erreicht habe:

  • Helgoland
  • Borkum
  • Norderney
  • Wangerooge
  • Peter Ording
  • Husum
  • Schafstdet (Kanal 33)
  • Brunsbüttel
  • Bremen
  • Flensburg
  • Usedom
  • Rügen

          

Wie sieht ein Tag vor Ort grundsätzlich aus? Naja, mehr oder weniger identisch und doch voller unerwarteter Abwechslungen. Heute am ersten kompletten Tag vor Ort im Sommer 2017 spielt das Wetter leider nicht mit. Unwetterwarnung! Das tut der Stimmung allerdings keinen Abbruch. Der Flieger wurde vorsichtshalber überdacht abgestellt, damit er vom gemeldeten Hagel nicht überrascht wird. Mit dem PKW wird kurzerhand ein Tagesausflug nach Brunsbüttel organisiert. Die Stadt am Elb-Eingang zum Nord-Ostsee-Kanal hat einiges zu bieten. Die Vier-Schleusenanlage, die gerade um eine fünfte Groß-Schleuse erweitert wird, ist beeindruckend. Wenn die riesigen Containern-Schiffe scheinbar mühelos in die engen Kammern gleiten, beeindruckend und beruhigend. Einfach nichts tun und zuschauen, was hier so passiert.

(Bild 7: Brunsbüttel)

Für leibliche Wohl gibt es an jeder Ecke etwas: Fischbrötchen an der Promenade, am kleinen Leuchtturm-Stand, gleich neben der Schleuse, da werden sie immer frisch gemacht. Sie sind unheimlich lecker und wer ein T-Shirt mit MFG-Speyer trägt, der wird gleich nach Laszlo gefragt, unser Wirt der Fliegerklause. Wie gesagt, man kennt sich!

 

 

Ein Rundgang durch die Hauptstraße, ein Spaghetti-Eis, für mich jedenfalls, und der Tag ist gerettet. Alternativen gibt es genügend: Bei vorhergehenden Reisen ging es auch schon nach St. Peter Ording. Ein schöner Strand, auch bei schlechtem Wetter.

 

Der zweite Tag beginnt mit herrlichem Flugwetter. Flieger checken, tanken und ab zum Tagesziel Wangerooge. Nur wenige Minuten Flug und schon beginnt der Landeanflug. Die kurze Route führte über die Elbmündung und das Wattenmeer. Herrlich! Fischbrötchen. Badewetter, Strand, lange am Strand und im Wasser und dann als Höhepunkt auf dem Rückweg zum Flughafen noch ein Krokantbecher und abends noch ein Erdbeereis bei Laszlo.

Der dritte Tag beginnt wieder mit acht-achtel Bewölkung! Das ist der Sommer 2017. Helgoland wird diese Woche wohl ausfallen und wieder wird ein Landtag geplant. Plausch an der Theke mit Uwe Speck und Laszlo über Gott und die Welt. Dann doch spontan eine Änderung: Kurzer Flug nach Husum. Allerdings kommt schnell der Regen und unerwartet eine ganz schlechte Sicht. Der Rückflug ist nicht mehr möglich, der Flieger muss dort bleiben, es beginnt die Suche nach einem Mietwagen. Jürgen und ich sind irgendwann pitschnass und mit Hilfe vom ADAC haben wir auch einen Mietwagen gefunden. Einsteigen und zurück in die Fliegerklause. Geschafft, nach 65 Minuten!

 

 

Am nächsten Morgen geht es gleich mit dem Mietwagen zurück nach Husum und den geliebten Flieger abholen. Danach Ausflug mit dem lokalen PKW zur Kneipe Kanal 33. Kaffee und Kuchen, Bier, etc. es gibt alles und einen herrlichen Blick auf alle Schiffe, die den Kanal entlang fahren. Besonders beeindruckend sind die Kreuzfahrtschiffe, haushoch, gigantisch. Scheinbar mühelos gleiten sie an einem vorbei, nur wenige Meter entfernst sitzen wir im Biergarten. Nur ein Wirtschaftsweg trennt den Kanal vom Biertisch. Beeindruckend!

 

 

Abends wird gleich noch der Flieger für den Rückflug vorbereitet. Und am Samstag ging es dann wieder zurück nach Speyer. Eine spannende Woche findet nach einem sicheren Rückflug ihr Ende. Dank an den Piloten Jürgen für die sorgfältige Vorbereitung und Planung. Alles in allem eine gelungene Woche.

 

 

Fortsetzung folgt, im Mai 2018.